Content Marketing für Soziale Arbeit

Check: »Funktioniert« unsere Werbung? Erkenntnisse aus einem Workshop zur Öffentlichkeitsarbeit in der Pflege

Kürzlich gab ich Impulse zur Öffentlichkeitsarbeit bei einem Workshop eines Netzwerks, das sich für inklusive, ambulante, digitale Pflege engagiert. Schnell ergab sich eine lebendige Diskussion mit einigen Fragen.

Eine Teilnehmerin berichtete:

»Wir haben für unser Angebot einen Flyer entwickelt, aber er scheint als Lockangebot für neue Zielgruppen gar nicht zu funktionieren. Neue Kontakte entstehen durch 1:1-Gespräche. Es ist eher so, dass wir den Flyer bei diesen Gesprächen hinterlassen, damit die Menschen z.B. unsere Telefonnummer finden. Ist der Flyer vielleicht falsch aufgebaut? Können wir etwas verbessern?«

Meine Antwort: Es gibt fünf Phasen, um Zielgruppen zu erreichen und erhalten.

Das AIDA-Modell in der Prais

Der Flyer der Teilnehmerin »funktioniert« durchaus – für Phase 4, in der es darum geht, dass Zielgruppen wirklich aktiv werden und die gewünschte Handlung vollziehen, also kaufen, teilnehmen, anrufen, etc. In dieser Phase ist es hilfreich, Kontaktdaten schnell und übersichtlich zu Hand zu haben.

Was die Teilnehmerin tun kann: Ihren Flyer daraufhin überprüfen, ob er das Potenzial hat, Zielgruppen auch in den anderen Phasen abzuholen oder ob sie weitere Werbemittel dafür braucht.

  1. Aufmerksamkeit schaffen: Sticht unser Flyer hervor, z.B. durch kreative Slogans und Impulse, die neugierig machen? Liegt er an den richtigen Stellen aus?
  2. Interesse vertiefen: Informiert er die Zielgruppen ausreichend darüber, wer, was, wann, wo, wie, warum tut? Zeigt er, wer welchen Nutzen von dem Angebot hat?
  3. Wunsch erzeugen: Spricht er die Menschen emotional an, etwa durch authentische, warme Fotografie oder O-Töne von Menschen, die positive Erfahrungen teilen?
  4. Handlung erleichtern: Weiß die Zielgruppe jetzt, was sie tun soll, oder braucht es noch einen klaren Handlungsaufruf? Kann sie das Angebot unverbindlich testen? Ermöglicht der Flyer es, einfach Kontakt aufzunehmen?
  5. Kontakt halten: Ist der Flyer so schön oder nützlich, dass er eine Zeitlang aufgehoben wird, statt ins Altpapier zu fliegen? Bleiben die Inhalte in Erinnerung?

Bauen unsere Werbemittel sinnvoll aufeinander auf?

Hallo Papa von Berin Acici

Copyright: Berin Acici

Nicht jedes einzelne Werbemittel muss alle fünf Phasen des oben gezeigten Modells abdecken. Wichtig ist, dass euer Medienmix für jede Phase etwas Passendes enthält – und der Weg der Zielgruppen von Unbekannten/Unbeteiligten hin zu langfristig verwobenen Kontakten schlüssig ineinandergreift.

Aufmerksamkeit lässt sich z.B. schaffen durch:

  • Postkarten mit kreativen Slogans
  • Überraschende Botschaften, z.B. als »Bodenzeitung«, begleitet mit einer Social-Media-Kampagne, die die Reaktionen der Vorbeigehenden einfängt
  • Live-Aktionen wie ein Demenz-Parcours, ein Erzählcafé oder eine Human Library beim Marktstand oder Tag der Offenen Tür
  • Individuelle Werbemittel wie die Brötchentüten einer Bäckerei, auf die einmal pro Jahr die Botschaften einer sozialen Organisation gedruckt sind (bzw. als Postkarte aufgeklebt)

Beispiel: Die Aktion Demenz aus Vorarlberg schafft Aufmerksamkeit durch literarische Tischsets, die in der lokalen Gastronomie eingesetzt werden. Diese Tischsets erzählen Geschichten aus dem Alltag einer an Demenz erkrankten Frau, die von der Autorin begleitet wird. Diesen Ansatz empfinde ich als sehr zielgruppengerecht und angenehm »nicht-werblich«. Die Gastronomie*innen und Hoteliers sind klug einbezogen, da sie selbst einen Nutzen haben. Durch die Tischsets kommen sie auf besondere Weise mit ihren Gästen ins Gespräch und bleiben durch ihr Engagement positiv in Erinnerung.

Literarische Tischsets der Aktion Demenz

Interesse vertiefen lässt sich durch »Content« – also Werbemittel, die nicht werblich wirken, sondern beraten, informieren, unterhalten:

  • Journalistisch denken: Fragen beantworten
  • Broschüre statt Flyer: Inhalte dürfen in die Tiefe gehen
  • Warte-Orte nutzen: legt eure Broschüren da aus, wo Menschen Zeit haben – Wartezimmer beim Arzt, Bushaltestelle, etc.
  • Podcast planen: Definiert vorab die Zahl der Folgen, die ihr aufnehmt. So wie Social-Media-Kanäle entstehen Podcasts häufig aus großem Engagement heraus, werden aber nach wenigen Folgen nicht mehr bespielt. Besser ist es, den Podcast von vornherein als Projekt zu betreiben, der z.B. drei Pflege-Themen in der Tiefe betrachtet – und das auch so zu kommunizieren.
  • Kino buchen: Die Agentur »Jetzt und Morgen« unterstützt euch dabei, ein Kino in der Nähe zu finden, das euren Wunschfilm mit Bezug zur Pflege zeigt. Im Anschluss könnt ihr dort ein Podiumsgespräch veranstalten.

Beispiel: Eine der Workshop-Teilnehmerinnen kam aus dem Projekt »Digitaler Bauchladen«, in dem Senior*innen mit Pflegebedarf und ihre Angehörigen im 1:1-Kontakt beraten werden, wie sie das Smartphone nutzen, um sich den Alltag zu erleichtern. Sie beschrieb, dass der persönliche Kontakt für dieses Projekt zentral wichtig sei. Jedoch dachte sie laut darüber nach, die am häufigsten gestellten Fragen in einem kurzen Video zu beantworten und dieses auf einer Website zu veröffentlichen, damit auch andere Zielgruppen von dem Projekt profitieren und dieses sich verstetigen kann.

Wünsche erzeugen oder Verlangen wecken lässt sich durch …

  • Visuelle Anreize: warme, authentische Fotografie
  • Positive Erfahrungsberichte: Testimonials auf eurer Website, Rezensionen in Bewertungsplattformen oder auf Google Maps oder schlicht die Mund-zu-Mund-Propaganda, die ihr gezielt fördern könnt
  • Die richtigen Argumente: Warum soll ich hier und jetzt an diesem Angebot teilnehmen?

Übung: Um die richtigen Argumente herauszukitzeln, mache ich in Workshops gern folgende Übung, bei der sich die Teilnehmer*innen in die Köpfe verschiedener Zielgruppen versetzen. Es geht darum, deren emotionalen Nutzen zu erkennen und benennen. Jede Kleingruppe bekommt ein fiktives Angebot, das sie erst für eine, dann für eine zweite Zielgruppe »bewirbt«, also Botschaften gezielt für sie entwickelt. Viele Teilnehmer*innen denken sich auch gleich eine Media-Strategie dazu aus, also welche Kanäle sie nutzen möchten. Die Übung geht schnell: pro Zielgruppe reichen 5 Minuten. Wichtig ist der Austausch im Plenum.

Perspektivwechsel

Handlung erleichtern kann schlicht bedeuten, die Werbemittel noch einmal zu checken: Steht unsere Telefonnummer oder der Spenden-Button an der richtige Stelle, so dass sie gefunden werden? Ist unter der Telefonnummer jemand erreichbar? Ihr könnt auch eure Zielgruppen selbst um einen Check bitten. Handlung erleichtern heißt aber auch, da hinzugehen, wo die Zielgruppen sind – also aufsuchend zu arbeiten, sei es live oder digital.

Digitales Streetwork: einmal pro Woche geht ihr für eine Stunde in die sozialen Netzwerke, die eure Zielgruppen nutzen, beteiligt euch am Austausch, beantwortet Fragen, teilt eure Botschaften, sofern sie passen, und weist auf eure Angebote hin. Denkt an regionale Facebook-Gruppen und neuere Netzwerke wie nebenan.de. Vorteil: ihr braucht keine eigenen Social-Media-Seiten zu betreiben, was zeitintensiv ist; zumal die Seiten sozialer Organisationen und bürgerschaftlicher Projekte ohnehin oft »einschlafen«.

Beispiele für aufsuchende Live-Aktionen: 1) Im Rahmen der Aktion Demenz Vorarlberg liefern Freiwillige einmal pro Jahr an einem Sonntagmorgen frische Brötchen und Marmeladen an etwa tausend österreichische Haushalte, in denen Menschen mit Demenz leben. Oft gehen die Bürgermeister*innen mit, als Zeichen der Wertschätzung (siehe Bild unten). 2) Der Senioren- und Pflegestützpunkt Hildesheim übergab im Rahmen eines Modellprojekts Informationsmappen zur Demenz persönlich an 140 Hausarztpraxen und kam so ins Gespräch mit der Fach-Zielgruppe.

Fotoquelle: Sarah Mistura

Foto: Sarah Mistura

Kontakt halten: Das Erinnern schafft langfristige Bindungen und hilft, kontinuierlich mit Netzwerkpartnern und Interessengruppen in Kontakt bleiben. Es bindet oft weniger Zeit und Ressourcen, bereits erreichte Zielgruppen wieder zu aktivieren, als neue Zielgruppen anzusprechen. Geeignet sind:

  • Give Aways wie Post-its, Kalender, Schlüsselanhänger – also Werbegeschenke, die einen praktischen Nutzen haben
  • Newsletter
  • Social-Media-Kanäle, die bereits erreichte Zielgruppen daran erinnern, was sie bereits positiv mit euch erlebt haben

Fazit: Die Teilnehmerinnen des Workshops werden künftig weiter an ihrer Öffentlichkeitsarbeit arbeiten, eventuell auch mit gemeinsamen Aktionen. Das schont Ressourcen und kann dazu beitragen, konsistente, klare Botschaften zu senden. Was sie beschäftigt, sind die Fragen: Wie arbeiten wir Botschaften für unsere Öffentlichkeitsarbeit aus? Wie und wo erreichen wir die Zielgruppen? Wie können wir das große Engagement der ehrenamtlich Beteiligten durch unsere Öffentlichkeitsarbeit wertschätzen?

Rebekka Sommer über Öffentlichkeitsarbeit Soziale Arbeit

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